Dienstag, 16. März 2010

Zwei alte Tanten tanzen Tango

"Wenn ich nachts nicht schlafen kann, schau ich gern beim Fenster raus,
Und ich sehe mir die Straße an, oder vis-a-vis das Haus,
Das ist das Achterhaus und es ist wirklich sonderbar,

Ich wollt es einmal schon beschreiben aber dann ließ ich es bleiben,

denn vielleicht war's gar nicht wahr:

Aus einem Fenster kommt jede Nacht ein fahler Schein,

Und wenn man sich etwas streckt, sieht man in den Raum hinein,

Und was da drin geschieht, ach wer hätte das geglaubt,

Ist das legal, ist das normal, ist das erlaubt?

Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht,
Warum auch nicht, sie hätten sonst die Nacht nur schlaflos zugebracht,
Wie diese Engeln sich nur schlängeln und schmiegen Bein an Bein,
Jeder Schritt muß bei dem Rhythmus ein Vergnügen sein!
Und rings umher da ist es finster, schwach nur grinst das Morgenrot,
Da mit Migränen gähnen Tränen, stöhnend man erwacht,
In den Spelunken wird getrunken, und der Bäcker backt das Brot,
Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht.

In der Bundeshauptstadt Bonn am Rhein fürchtet sich der Kommunist,
Sollt man etwas weiter östlich sein, fürchtet sich, wer keiner ist,
Selbst in Amerika, da wär i ka Sekunde ohne Zorn,
Ich hätt a tolle Wut auf Hollywood, mein Englisch wär verfänglich
und i wär scho längst a Gaengster worn.
Ein blasser Nasser starrt ins Wasser, das er längst schon nicht mehr liebt,
Und weicht vom Mittelmeer kein Drittel mehr zurück,
Nur dort im Achterhaus, da macht man aus die Lichter, die's noch gibt,
Man konzentriert sich ganz auf Tango und auf Glück.

Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht,
Die suchen sobald nicht nach Kobald, auch wenn der Globus kracht,
Die bringt kein greller Pfiff nach Tel Aviv, nach Kairo, nach Korinth,
Die ruft kein Mueyzin zum Suezz hin, die bleiben, wo sie sind.
Und Hunde heulen, wunde Eulen legen Eier in den Turm,
Man hat Affairen mit Millionären, meist auf einer Yacht,
Doch spuckt den Ozean ein Loste an, dann gibt es einen Sturm,
Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht.

Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht, Sie sind vereint, und wie mir scheint, die eine lacht, die andre weint, Den Straßenfeger mit Geselle plagt die Szenerie, Jedoch ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie. Ja, der Neandertaler wandert allerdings noch ohne Ruh, Und fragt die Leut, wie weit sie's heut seit seiner Zeit gebracht, Man gibt dem Araber sein eignes Dromedar aber wozu? Zwei alte Tanten tanzen Tango mitten in der Nacht. Mitten in der, mitten in der, mitten in der, mitten in der, mitten in der Nacht."

(Georg Kreisler)

2 Kommentare:

  1. Liebes Paulinchen,
    Ein (zu) zynisches Gedicht von Georg Kreisler, aber doch mit Wiener Charme!
    Das Gedicht von Tucholsky „Grießbrei-Fresser“ hat meine Freundin Marianne aus Schwedt/oder erfreut (siehe in ‚Politiek en Cultuur’.
    Danke Margitta sehr von mir!
    Es grüßt ganz lieb,
    Nadja
    <3

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