Mittwoch, 30. Dezember 2009

Das Hemd der Zufriedenheit

Es war einmal ein reicher König, dem machte das Regieren so viele Sorgen, dass er darum nicht schlafen konnte die ganze Nacht. Das ward ihm zuletzt so unerträglich, dass er seine Räte zusammenberief und ihnen sein Leid klagte. Es war aber darunter ein alter erfahrener Mann, der erhob sich, da er vernommen hatte, wie es um den König stand, von seinem Stuhle und sprach: "Es gibt nur ein Mittel, dass wieder Schlaf in des Königs Augen kommt, aber es wird schwer zu erlangen sein; so nämlich dem Könige das Hemd eines zufriedenen Menschen geschafft werden könnte und er das beständig auf seinem Leibe trüge, so halte ich dafür, dass ihm sicherlich geholfen wäre." Da das der König vernahm, beschloss er, dem Rate des klugen Mannes zu folgen und wählte eine Anzahl verständiger Männer, die sollten das Reich durchwandern und schauen, ob sie nicht ein Hemd finden könnten, wie es dem Könige Not tat. Die Männer zogen aus und gingen zuerst in die schönen volkreichen Städte, weil sie gedachten, dass sie da wohl am ehesten zu ihrem Zwecke kämen; aber vergebens war ihr Fragen von Haus zu Haus nach einem zufriedenen Menschen; dem einen gebrach dies, dem anderen das; so mochte sich keiner zufrieden nennen. Da sprachen die Männer untereinander: "Hier in der Stadt finden wir doch nimmer, wonach wir suchen; darum so wollen wir jetztunter auf das Land hinausgehen, da wird die Zufriedenheit wohl noch zu Hause sein", sprachen's, ließen die Stadt mit ihrem Gewühle hinter sich und gingen den Weg durch das wallende Korn dem Dorfe zu. Sie fragten von Haus zu Haus, von Hütte zu Hütte, sie gingen in das nächste Dorf und weiter von da, sie kehrten bei Armen und bei Reichen ein, aber keinen fanden sie, der ganz zufrieden war. Da kehrten die Männer traurig wieder um und begaben sich auf den Heimweg. Wie sie nun so in sorgenden Gedanken vertieft über eine Flur dahinwandelten, trafen sie auf einen Schweinehirten, der da gemächlich bei seiner Herde lag; indem so kam auch des Hirten Frau, trug auf ihren Armen ein Kind und brachte ihrem Manne das Morgenbrot. Der Hirt setzte sich vergnüglich zum Essen, verzehrte was ihm gebracht war, und nachdem so spielte er mit seinem Kinde. Das sahen die Männer des Königs mit Erstaunen, traten herzu und fragten den Mann: wie es käme, dass er so vergnügt wäre und hätte doch nur ein so geringes Auskommen. "Meine lieben Herren", sprach der Sauhirt, "das kommt daher, weil ich mit dem, was ich habe, zufrieden bin." Da freuten sich die Männer höchlich, dass sie endlich einen zufriedenen Menschen gefunden hatten, und erzählten ihm, in welcher Sache sie von dem Könige wären ausgesandt worden, und baten ihn, dass er ihnen möchte für Geld und gute Worte ein Hemd von seinem Leibe geben. Der Sauhirt lächelte und sprach: "So gern ich Euch, meine lieben Herren, in Eurem Anliegen möchte zu Willen sein, so ist es mir doch nicht möglich; denn Zufriedenheit habe ich wohl, aber kein Hemd am Leibe." Als das die Männer vernahmen, erschraken sie und gaben nun ganz die Hoffnung auf, ein Hemd zu finden, wie es dem Könige Not tat. Betrübt und mit gesenkten Blicken traten sie wieder vor ihren Herrn und berichteten ihm, wie all ihr Suchen und Fragen sei vergeblich gewesen; sie hätten manchen gefunden, der wohl ein Hemd gehabt hätte, aber keine Zufriedenheit, und endlich hätten sie einen angetroffen, der wäre freilich zufrieden gewesen, aber leider hätte er kein Hemd gehabt.
So musste denn der König seine Sorgen ferner tragen und voll Unruhe oft nächtelang auf seinem Bette liegen, ohne dass Schlaf in seine Augen kam, und konnte ihm nicht geholfen werden.
(Wilhelm Busch)

Quelle: http://www.zeno.org/ - Zenodot Verlagsgesellschaft mbH


Beim Lesen dieses Märchens fiel mir spontan die Werbung für Merz Spezialdragees ein: "Natürliche Schönheit kommt von innen".
Zufriedenen Menschen haben die Gelassenheit, alles das hinzunehmen, was nicht zu ändern ist, die Kraft zu ändern, was nicht länger zu ertragen ist und die Weisheit das eine vom anderen zu unterscheiden.
Zufriedenheit kennt ihren Wert. Dies ist meine feste Überzeugung.

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